Was vor langer Zeit mit einem PS begann, ist eine der faszinierendsten Geschichten von Innovation und Leidenschaft: die des Automobils. Und sie geht immer weiter, solange das Bedürfnis nach Mobilität stetig steigt und sich die Hersteller immer wieder an die Umsetzung neuer Visionen wagen. Die Automobilbranche ist ständig in Bewegung, und wie gross die Faszination für ihre Produkte ist, zeigen die jährlichen Besucherzahlen am Genfer Automobilsalon: Bis zu 700’000 Menschen besuchen jeweils im März die Palexpo-Hallen, um zu staunen, zu fragen oder ganz konkrete Pläne zu schmieden.
Ausstellungsfläche und Tankparkett in einem
Schon Anfang Februar beginnen die Aufbauarbeiten. Wie ein flächendeckendes Spinnennetz aus Stahl liegen dann die Gerüste für die Lichtinstallationen auf dem Boden der Palexpo-Hallen bereit. Sobald sie an den Hallendecken befestigt sind, gehen die Bauarbeiten in die nächste Runde: Es wird gehämmert, geschraubt und so wächst nach und nach eine ganze Welt aus riesigen Bildschirmen, Restaurants, Bühnen, Terrassen, Treppen und nicht zuletzt individuellen Bodenbelägen heran, die später während der Publikumstage jede Nacht von fleissigen Helfern in mühsamer Handarbeit von den Spuren der Besucher befreit werden. Auch die AMAG ist von Anfang an mit von der Partie – mit zwei Salon-erprobten Handwerkern, die sich um die AMAG Container City hinter der Messehalle kümmern. Ihr wachsames und erfahrenes Auge und die tatkräftige Mitarbeit garantieren, dass die verantwortlichen Werksdelegationen eine optimale Infrastruktur vorfinden, um den Standbau voranzutreiben und bis zum Salon-Startschuss reibungslos über die Bühne zu bringen.
Apropos Boden: Dieser dient inzwischen längst nicht mehr nur als Ausstellungsfläche, sondern immer häufiger auch als Tanzparkett. Was vor einigen Jahren mit einer lustigen Idee der Hostessen und Car Explainer anfing, ist inzwischen zu einer heimlichen Salon-Attraktion für die Besucher geworden: die «Club Dances» auf den Ständen. Anfang und Ende jedes Arbeitstages werden – meist vom gesamten Standpersonal – mit einem extra konzipierten und einstudierten Tanz eingeläutet und gefeiert.
Wenn die Nacht zur Baustelle wird
Wenn nach der intensiven Vorbereitungszeit der Automobilsalon Genf seine Tore öffnet, dann vorerst nur für ein spezifisches Publikum. Der erste Salon-Tag ist der Presse, der zweite zusätzlich einem ausgewählten Fachpublikum vorbehalten. Erst am Tag drei beginnen die offiziellen Publikumstage. Bis zum Morgen von Tag drei passiert einiges: Jeden Tag müssen, angepasst an die Bedürfnisse des jeweiligen Publikums, andere Fahrzeuge auf den Ständen stehen. So werden nachts die riesigen Zuliefertore der Palexpo geöffnet, es weht ein eisiger Luftzug durch die Hallen und die Autos werden im Scheinwerferlicht sorgfältig, eines nach dem andern hinaus- bzw. hereingefahren. In der Nacht vom zweiten Pressetag auf den ersten Publikumstag werden in den Markenwelten schliesslich die gesamten Modellpaletten schön angeordnet und für die grossen Besucherströme in Szene gesetzt.
Das ist dann auch der Zeitpunkt, an dem die Verantwortung über die Stände offiziell von den Herstellerwerken an die AMAG übergeben wird. Mit dem Rückzug der Werksdelegationen verschwinden auch die Fahrzeuge der ersten beiden Tage und sogar die werkseigenen Büromöbel.
Mehr als drei Lastwagenladungen Prospektmaterial und ein grosser Vorrat an Give-aways werden nun für die Besucher bereitgestellt. Neue Cateringfahrzeuge parken vor den Toren und Mitarbeiter der AMAG IT stellen mit Kabelrollen, iPads und PCs sicher, dass auch in elektronischer Hinsicht alles bereit ist für die Publikumstage. Ein letztes Mal werden die Stände leicht überarbeitet, neu dekoriert und so hergerichtet, dass sie optimal zugänglich sind für die Besucherströme. Auch die Hostessen und die Car Explainer erhalten für die arbeitsintensiven Publikumstage einen neuen Look: Bei Bekleidung und Schuhen gewinnt nebst der Optik der Faktor Komfort an Wichtigkeit.
Wovon die Besucher nichts mitbekommen
Trotz Anwesenheit der Werksdelegationen, auch während der ersten beiden Tagen ist im Hintergrund das AMAG Team zusammen mit den Standleitern der einzelnen Marken Hauptansprechpartner für alle möglichen Wünsche und für die Koordination des Stand- und Sicherheitspersonals, der Sanität oder der Cateringagenturen. Und dies auch für die andern Konzernmarken in Halle 7, Lamborghini und Bugatti. Der Stresspegel ist konstant hoch. Gerade viele kleine Dinge auf einmal erzeugen den grössten Zeitdruck. Schnell und hoch konzentriert wird hinter den Kulissen alles so organisiert, dass nach aussen das perfekte Besuchererlebnis sichergestellt ist. Auch wenn zum Beispiel zwischenzeitlich ein Auto vom Stand geholt werden muss, das sich aus seiner aktuellen Position nur mit einem Kran entfernen lässt, ohne gleich alle andern Autos verschieben zu müssen.
Vorbereitungsarbeiten rund ums Jahr
Wenn nach zwei intensiven Wochen alle Hersteller mit brachialem Motorensound und ohrenbetäubendem Hupen den Salon gemeinsam ausklingen lassen, haben die Vorbereitungsarbeiten für die nächste Ausgabe im Hintergrund schon wieder begonnen: Zu diesem Zeitpunkt sind die Hotelkontingente für das nächste Jahr bereits in Verhandlung, die besten Hostessen und Car Explainer für das kommende Jahr nominiert und sogar erste Standbauideen werden diskutiert. Auch die Standflächen für das nächste Jahr müssen bei der Palexpo-Verwaltung beantragt werden, kaum ist der Automobilsalon Geschichte.
Hier ein paar Quadratmeter weniger, hier einige mehr; grosse Verschiebungen sind allerdings kaum möglich. Die Ausstellungsflächen sind begehrt und niemand gibt gerne davon ab – es sei denn, eine Marke scheidet ganz aus. Sobald die definitiven Grundrisse der Stände freigegeben sind, stecken die Messebauteams der Herstellerwerke bereits wieder die Köpfe zusammen und kreieren neue Markenwelten, um die Fahrzeuge auch nächstes Jahr ins beste Licht zu rücken. Dabei treffen gelegentlich ausgefallene architektonische Ideen auf nüchterne, vernünftige Vorgaben der Palexpo-Betreiber. Dank der langjährigen guten Beziehung zwischen den Verantwortlichen der Palexpo und der AMAG lassen sich – ausser wenn es um den Faktor Sicherheit geht – meist zufriedenstellende Kompromisse finden.
Einen ersten Eindruck vom aktuellen Standdesign der Herstellerwerke kann man übrigens bereits im Herbst an der «Mondial de l’Automobile» in Paris gewinnen. Dieser wertvolle erste Gesamteindruck hilft den Salon-Verantwortlichen, sich frühzeitig nach der passenden Blumendekoration oder für die Standpersonal-Outfits des kommenden Automobilsalons in Genf umzusehen. Die Details gehen im Rahmen der Vorbereitungsarbeiten schier ins Unermessliche: Getränke werden vorbestellt, die Menüs mit den Caterern besprochen, bis zu 2000 Übernachtungen koordiniert und unzählige Tickets und Parkkarten verschickt. Ausserdem gilt es, 200 – 300 temporäre Arbeitsverträge aufzusetzen für das Standpersonal.
Wenn die Ruhe eingekehrt
Aus all diesen sauber durchgeplanten und arrangierten Komponenten entsteht am Schluss ein einmaliges Gesamtbild, das den Genfer Automobilsalon zwar nicht zur grössten, aber sicher zu einer der charmantesten und attraktivsten Automobilmessen der Welt macht.
Zum Schluss noch ein Geheimtipp für alle, die einmal Gelegenheit dazu haben: Es ist unbezahlbar, spät abends, lange nachdem die Türen der Palexpo für die Besucher geschlossen wurden, von der Besucherterrasse des SEAT Standes aus in die Weite zu blicken: Wenn der turbulente, dicht gedrängte Betrieb des Tages einer friedlichen, fast feierlichen Ruhe und die angestaute Wärme einer angenehmen Kühle Platz macht, die hellen Scheinwerfer auf ein Minimum heruntergefahren und die wertvollen Schätze frisch poliert für die Nacht zugedeckt werden, dann liegt einem ganz allein die gesamte Autowelt zu Füssen.