Wir gehen einige Jahre zurück bis ins Jahr 1957, in dem der damals unter dem Namen Daimler-Benz bekannte Autohersteller die Auto-Union GmbH aufkaufte. Die Auto-Union war zu dieser Zeit ein bekannter Hersteller verschiedener Fahrzeuge vom Motorrad bis hin zum Transporter und vertrieb diese unter den Markennamen DKW. Man hielt in der Auto-Union am Zweitaktmotor fest, für den aber zu der Zeit kaum mehr eine Nachfrage bestand. Nach wie vor mit dieser Motorisierung ausgestattet, stellt man im Jahre 1963 den F 102 vor, obwohl bereits zu dieser Zeit seitens Daimler darauf hingewiesen wurde, dass diese Technologie veraltet und nicht mehr zeitgemäss war. Im Hintergrund tüftelten seinerzeit einige Daimler-Ingenieure rund um den äusserst begabten Ludwig Kraus an einem Modell mit Viertaktmotor, um den erfolglosen Zweitaktmotor abzulösen. Die Ingenieure entwickelten einen Reihen-Vierzylinder-Motor mit 1.7 Litern Hubraum und überdurchschnittlich hoher Verdichtung für einen Benzinmotor. Dieser neue Motor wurde im Prototyp W119 von Mercedes verbaut. Es war klar zu erkennen, dass dieser Prototyp nicht für Mercedes, sondern für die Auto-Union entwickelt worden war.
Von einem Viertaktmotor wollte man jedoch bei der Auto-Union zu dieser Zeit nichts wissen, man glaubte an den Zweitaktmotor als ein Markenzeichen von DKW. Die Fokussierung auf den Zweitaktmotor führte jedoch dazu, dass die Zahlen der Auto-Union derart miserabel waren, dass das Unternehmen einem fast sicher geglaubten Untergang entgegen schlitterte. Der F 102 verkaufte sich mehr als schlecht, der deutschen Wirtschaft erging es während der Zeit des Wirtschaftswunders nach dem 2. Weltkrieg jedoch prächtig. Von dieser positiven Wirtschaftslage konnte auch die Volkswagen AG profitieren und übernahm die Auto-Union zum 1. Januar 1965. Es wurden rigorose Änderungen vorgenommen, um die mittlerweile hoch verschuldetet Auto-Union zu retten. So wurden ab Mai 1965 im Werk in Ingolstadt täglich bis zu 500 VW Käfer produziert, auch weil die bisherige Produktionskapazität in Wolfsburg zu gering war und Ingolstadt nur wenig ausgelastet war.
Viele der Mitarbeiter der Auto-Union wurden nach der Übernahme durch Volkswagen entlassen, der Ingenieur Ludwig Kraus gehörte nicht dazu und durfte im Rahmen seiner neuen Funktion als technischer Geschäftsführer die Entwicklung des unter dem Projektnamen bekannten F 103 weiter vorantreiben. Der im Vorfeld entwickelte «Mitteldruckmotor» mit Viertaktprinzip wurde im ehemaligen F 102 verbaut und bereits im Frühling 1965 konnten 15 Prototypen dieses Modells jetzt als F 103 fertiggestellt werden. Der Mitteldruckmotor verdichtete höher als ein herkömmlicher Benzinmotor, jedoch niedriger als ein Dieselmotor und benötigt bleihaltigen Kraftstoff. Die Bezeichnung dieses Motors stammt von der für damalige Verhältnisse sehr hohen mittleren Arbeitsdruck. Für dieses Modell mit Viertaktmotor war ein neuer Name notwendig geworden, da weder DKW mit der Zweitakt-Dysfunktion noch Auto-Union für den Volkswagen Chef Heinrich Nordhoff als Markenname infrage kamen. Mit Audi statt DKW übernahm man einen Namen, der auch zur Auto-Union gehörte und in den Jahren vor dem Krieg schon einmal für technischen Fortschritt stand. Damals waren es die vier eigenständigen, unter dem Dach der Auto-Union zusammengefassten Marken Audi, DKW, Horch und Wanderer, welche durch das Firmenzeichen der vier verschlungenen Ringe symbolisiert wurden. Pünktlich zur im September beginnenden IAA in Frankfurt wurde dann am 13. August 1965 der «erste neue Audi» produziert. Seitens Auto-Union war man hoch erfreut und bewarb das Modell folgendermassen:
Der Audi hat einen Mitteldruckmotor wie kein anderes Automobil. Ungewöhnlich, weil er höher verdichtet als alle anderen vergleichbaren Viertaktmotoren. Und ungewöhnlich auch seiner Eltern wegen. Entwickelt hatte ihn Mercedes-Benz. Die Auto-Union baut ihn.
Da man sich bezüglich des Projekts Audi F 103 auf keinen Namen einigen konnte, hiess dieser offiziell zunächst einfach nur Audi ohne Modellbezeichnung. Inoffiziell sprach man aufgrund seiner PS-Leistung vom Audi 72. Dabei handelte es sich zu Beginn um eine Limousine mit Frontantrieb und Vierzylinder-Viertaktmotor mit 1.7 Litern Hubraum, der die Basis für die erfolgreichen Audi 60 bis Super 90 bildete. Es folgten weitere Modelle mit Motorisierungen bis hin zu 90 PS und neben der Limousine auch ein Kombi. Dieser Audi kann durchaus als Erfolgsmodell bezeichnet werden: bis zum Ende seiner Produktionszeit im Jahr 1972 wurden etwa 470’000 Stück produziert. Herzlichen Glückwunsch zum 50.!
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