Guten Tag Herr Hannesbo, welches Auto fahren Sie aktuell?
Im Moment fahre ich zwei verschiedene Autos: Ca. 80 Prozent fahre ich den vollelektrischen Audi e-tron mit 95 kWh und sehr viel PS – ein super Auto. Daneben fahre ich noch einen Plug-in-Hybrid. Privat besitze ich zudem auch ein Fahrzeug mit Verbrennungsmotor.
Beschreiben Sie Ihre persönliche Wahrnehmung der Elektromobilität nach den ersten Monaten elektrischen Fahrens, gerade auch im Vergleich zu vorher.
Zu Beginn hatte ich eher das Gefühl, dass ich elektrisch fahren «muss». Unsere Geschäftsleitung hatte sich dazu verpflichtet, nur noch Dienstwagen zu fahren, die maximal 95 g CO2 ausstossen, weil dieses Limit ab 2020 gilt. Für mich war das schon eine Art Zwang, denn ich liebe einen tollen Wagen mit Verbrennungsmotor. Seit ich klein war, wollte ich immer einen Sportwagen und heute bin in der glücklichen Lage, einen zu besitzen. Jetzt aber muss ich zugeben: Ich fahre seit über vier Monaten nicht mehr damit, sondern viel lieber mit meinem Audi e-tron. Ich habe gemerkt, dass ein Elektrofahrzeug im Alltag sehr gut funktioniert. Bei der Elektromobilität kam ich somit vom ‹Ich muss fahren› zum ‹Eigentlich fahre ich lieber damit›. Diese Entwicklung dauerte bei mir aber eine Weile. Ich musste sicher drei bis vier Wochen elektrisch fahren, bis ich mich daran gewöhnt hatte. Jetzt ist es die beste Lösung für meinen Alltag.
Warum soll ich mir dieses Jahr ein Elektrofahrzeug kaufen?
Also, als Erstes muss man davon überzeugt sein, dass die Elektromobilität mehr Vorteile bringt. Wenn man diese Überzeugung nicht teilt, dann ist man für den Kauf noch nicht bereit. Aber ab dem Moment, in dem man sich dazu entschliesst, gibt es zwei gute Gründe: Einerseits ist es gut für die Umwelt – natürlich kann man immer fragen, woher der Strom kommt, aber das Elektroauto ist dort, wo es gefahren wird, emissionsfrei. Andererseits fährt es leise und praktisch geräuschlos. Das sind zwei gute Gründe! Und wenn ich mit Grünstrom fahre – und über 62 Prozent des Stroms in der Schweiz sind Grünstrom – dann fahre ich tatsächlich auch grün. Dann ergibt es noch mehr Sinn. Aber davon abgesehen ist ein Elektroauto weitestgehend schneller und in Summe günstiger zu fahren. Die Kosten des Stroms liegen bei ca. einem Drittel im Vergleich zu Benzin oder Diesel. Dazu ist die Kraftentfaltung einfach phänomenal. Es ist so schön, so linear – so überzeugend! Elektrofahrzeuge haben viele Produktvorteile, und diese werden am Ende dafür sorgen, dass die Kunden auf die Elektromobilität umsteigen.
Aber sind die Fahrzeuge nicht einfach noch zu teuer?
Derzeit ja, weil wir noch zu wenig Angebote im mittleren oder unteren Segment haben. Das wird sich dieses Jahr und vor allem 2021 ändern.
Der Marktanteil der Elektrofahrzeuge hat sich in der Schweiz im letzten Jahr von 3,2 Prozent auf 5,6 Prozent nahezu verdoppelt. Wie stimmt Sie das?
Wir sind nach wie vor in einer sehr frühen Phase. Aber es ist das dritte Jahr in Folge, in dem wir Wachstumsraten bei den vollelektrischen und Plug-in-Hybrid-Fahrzeugen verzeichnen konnten. Die Marktanteile gehen in die richtige Richtung, und das freut mich.
Wann erfolgt aus Ihrer Sicht der Durchbruch der Elektromobilität?
Da benötigen wir noch etwa zwei Jahre. Durchbruch heisst für mich 15 Prozent Marktanteil. Aus meiner Sicht wird das im Jahr 2021 passieren. In diesem Jahr wird der Marktanteil bei 10 Prozent Steckerfahrzeugen liegen und im Jahr 2025 werden dann 25 Prozent erreicht werden.
Der Anteil der E-Fahrzeuge soll in diesem Jahr auf 10 Prozent der Neuzulassungen steigen. Warum nicht 100 Prozent?
Wir haben keine Verfügbarkeit von Fahrzeugen. Es gibt da zwei Knappheitsfaktoren. Erstens sind die Hersteller derzeit sind gar nicht in der Lage, E-Fahrzeuge in dieser Menge zu produzieren: Es gibt weder die Batterien noch die Motoren oder die Produktionskapazität. Man muss wissen: Ein Herstellerwerk muss vom heutigen Produkt «Verbrenner» auf «Elektro» umgestellt werden oder ein neues Werk muss gebaut werden. Somit müssen die Produktionslinien und Maschinen neu gebaut und Roboter neu programmiert werden. Zweitens ist die Ladeinfrastruktur noch nicht überzeugend. Wenn man nicht im Büro oder zu Hause laden kann, sieht man sich beim Laden relativ schnell mit Problemen konfrontiert. Und bis die Kunden einen solchen Zustand akzeptieren, dauert es eine Weile. Die Realität ist aber, dass man immer einen Weg findet. Ich bin noch nie mit meinem Audi e-tron stehen geblieben und jetzt schon über 15’000 km damit gefahren. Aus meiner Sicht ist das Thema Ladestationen in ein bis zwei Jahren gegessen. Und Strom hat es übrigens auch genug.
Sind Ladestationen für Sie im Moment die grösste Herausforderung bei der Elektromobilität?
Es ist die grösste Frustration – aber kein Problem. Was ich nicht verstehe, ist, dass die Vermieter oder Liegenschaftenbesitzer sich nicht um die Ladeinfrastruktur kümmern. Und das in einem Land, in dem die Hälfte der Einwohner zur Miete wohnt.
Was unternimmt die AMAG, um diese Herausforderung zu meistern?
Die AMAG investiert drastisch in die betriebseigene Ladeinfrastruktur. Wir haben an all unseren Standorten Lademöglichkeiten, an zwölf Standorten verfügen wir über Schnellladegeräte mit 50 kWh. Bei unseren Porsche Händlern werden wir zudem die Chage-Boxen mit 320 kWh für den Porsche Taycan bauen. Eine schweizweite Ladeinfrastruktur durch die AMAG ist aber kein Thema. Da benötigen wir Partner wie zum Beispiel Ionity. Ionity ist eine Zusammenarbeit zwischen dem Volkswagenkonzern, BMW, Daimler und Ford, die dieses Jahr europaweit an Autobahnen Ladestationen eröffnen wird.
Die Schweizer lieben ihr eigenes Fahrzeug und somit die individuelle Mobilität. Lassen sich Lebensfreude und Nachhaltigkeit vereinbaren?
Ob es um Autos, Möbel, das Wohnen oder das Fliegen geht – die Kunden wollen kaum auf etwas verzichten. Die Industrie muss Lösungen suchen, sodass wir den jetzigen Lebensstandard mit einem besseren CO2-Fussabdruck aufrechterhalten können. Die Firmen, denen das gelingt, werden grosse Erfolge feiern können. Das ist auch unser Anspruch bei den Autos. In den 1970er-Jahren hatten die Fahrzeuge z. B. keine so umfangreiche Sicherheitsausstattung, waren dafür aber sehr viel leichter als heute und hatten somit geringere Emissionen. Heute sind die Autos sehr sicher, dafür aber auch viel schwerer. Der Mensch will Verbesserungen im Leben, und das meistens auch zu einem günstigeren Preis. Neu kommt nun noch die Umweltverträglichkeit hinzu. Die Autoindustrie hat nun die Aufgabe, diesem Kundenwunsch nachzukommen.
Der Volkswagenkonzern setzt seine volle Konzentration für die Transformation hin zur Elektromobilität ein. Ein starkes Zeichen. Welche Produkte hat die Volkswagen AG derzeit auf dem Markt und was ist geplant?
Die Volkswagen AG hat als neues Fahrzeug seit dem vergangenen Jahr den Audi e-tron auf dem Markt. Das ist das erste neue, vollelektrische Produkt. Dann kommt dieses Jahr der VW ID.3 und von ŠKODA der erste elektrische SUV, der ŠKODA ENYAQ. Weitere neue Fahrzeuge auf der neuen Elektroplattform sind von VW, Audi, SEAT und ŠKODA geplant. In der existierenden Palette gibt es den VW e-Golf, den ŠKODA CITIGOe iV und den VW e-up! mit vollelektrischem Antrieb. Diese Autos gehören immer noch der alten Generation an, funktionieren aber sehr gut und haben keine Kinderkrankheiten.
Wie bereitet sich die AMAG auf den Durchbruch der Elektromobilität vor?
Wir haben bereits im letzten Jahr eine breite Offensive gestartet. Wir kommunizieren auf dem Markt und bei den Kunden sehr viel. Intern bringen wir unsere Mitarbeitenden dazu, sich mit dem Thema zu beschäftigen. Unsere eigene Fahrzeugflotte ist elektrisch. Und wir trainieren, üben, machen Pop-up-Stores, laden die Kunden ein, richten Fahranlässe mit den Fahrzeugen aus und versuchen, neue Angebote zu kreieren. Wir möchten die Kunden dazu bringen, dass sie sich trauen, ein Elektrofahrzeug zu kaufen, zu leasen oder zu mieten. Ich bin zuversichtlich, dass wir da auf einem guten Weg sind.