Jährlich sind tausende Menschen auf der Flucht vor Krieg, Gewalt und Verfolgung. Weit weg von ihrer Heimat versuchen sie, Fuss zu fassen. Seit einem Jahr bietet die Schweizer Wirtschaft zusammen mit den Kantonen und dem Bund das «Pilotprogramm Integrationsvorlehre» für Flüchtlinge und vorläufig aufgenommene Personen an. Wir geben einen Einblick in die Integrationsvorlehre (INVOL) bei der AMAG und zeigen, wie eine erfolgreiche Integration aussehen kann.
Nach Schätzungen der UN-Flüchtlingsorganisation UNHCR waren letztes Jahr weltweit über 68,5 Millionen Menschen auf der Flucht. 25,4 Millionen dieser Menschen flohen als Flüchtlinge vor Krieg, Verfolgung oder schweren Menschenrechtsverletzungen aus ihrer Heimat. Die Hälfte der Flüchtlinge weltweit sind Kinder unter 18 Jahren. Im letzten Jahr haben rund 15’255 Schutzsuchende in der Schweiz ein Asylgesuch gestellt. Das ist der tiefste Wert seit 2007. Mit 1,9 Asylsuchenden auf 1000 Einwohner (2017: 2,2) liegt die Schweiz jedoch weiterhin deutlich über dem europäischen Mittel von 1,2 Asylsuchenden pro 1000 Einwohner.
Welche Möglichkeiten bestehen?
Asylsuchende und Flüchtlinge sind in einem fremden Land oftmals auf Unterstützung angewiesen. Für eine erfolgreiche Integration in die Gesellschaft sind das Erlernen der Sprache sowie die Eingliederung in den Arbeitsmarkt zwei zentrale Elemente. Die Arbeit gibt ihnen eine gewisse Routine und damit kehrt ein Alltag ein. Ein wichtiger Faktor dabei ist, die angekommenen Flüchtlinge in unsere Gesellschaft zu integrieren.
Im Auftrag des Bundesrates wurde im Sommer 2018 die Integrationsvorlehre (INVOL) vom Staatssekretariat für Migration (SEM) initiiert. Der Bundesrat möchte das Potenzial dieser Arbeitskräfte besser ausschöpfen und ihre Sozialhilfeabhängigkeit senken. Die INVOL bietet denjenigen, die nicht die notwendigen schulischen und sprachlichen Voraussetzungen für eine berufliche Grundbildung mit eidgenössischem Berufsattest (EBA) oder eidgenössischem Fähigkeitszeugnis (EFZ) mit sich bringen, eine Vorbereitung auf den Einstieg ins Berufsleben. Das Programm kann auch einen Beitrag leisten, den sich verstärkenden Fachkräftemangel in der Schweiz in den verschiedenen Branchen abzufedern.
Was ist eine Integrationsvorlehre?
Die einjährige Integrationsvorlehre wird in 18 Kantonen angeboten. Die INVOL gibt es für folgende Berufsfelder: Automobil, Betriebsunterhalt, Detailhandel, Fleischwirtschaft, Garten, Gastgewerbe/Hauswirtschaft, Gebäudereinigung, Gesundheit/Pflege, Gleisbau, Logistik sowie Medienpraktik. Bereits im ersten Jahr konnten rund 700 Plätze angeboten werden. Seit Anfang 2019 ist für Arbeitgeber in der ganzen Schweiz der Prozess einfacher, Flüchtlinge und vorläufig Aufgenommene anzustellen. Sie müssen keine Arbeitsbewilligung mehr beantragen, eine einfache Anmeldung reicht aus. Diese positive Entwicklung sei laut Bund unter anderem auf verstärkte Integrationsmassnahmen zurückzuführen.
Der Bund zahlt den Kantonen neu für jeden Flüchtling und für jede aufgenommene Person eine Integrationspauschale von 18’000 Franken, dreimal so viel wie bisher. Dafür erhofft sich der Bund, die Sozialhilfebeiträge zu senken. Die Behörden gehen davon aus, dass sieben von zehn Personen Potenzial für die INVOL mitbringen. Die ersten Rückmeldungen sind erfolgsversprechend: So traten im August 2018 allein im Kanton Bern 105 aus 16 Ländern stammende Lernende eine Integrationsvorlehre in 80 Betrieben an. Rund zwei Drittel von ihnen konnten bis heute einen Lehrvertrag abschliessen. Im Kanton Zürich haben sechs Lernende im Automobilbereich die INVOL gestartet, alle sechs konnten anschliessend einen Lehrvertrag unterschreiben.
Die AMAG Lehrstellenbroschüre mit allen wichtigen Informationen zu dem Lehrstellenangebot sowie der AMAG als Arbeitgeberin gibt es hier:
Wer kommt für eine INVOL in Frage?
Für die Integrationsvorlehren kommen vorläufig Aufgenommene und anerkannte Flüchtlinge mit einer gültigen Aufenthaltsbewilligung B oder F in Frage. Das Mindestalter beträgt 18 Jahre, das Höchstalter 35 Jahre. Im Idealfall bringen sie Berufserfahrung aus dem Herkunftsland mit und sind mündlich auf einem Sprachniveau A1 bzw. A2 (Auf Sprachlevel A1 können sie sich mit kurzen Sätzen verständigen, auf Sprachlevel A2 können sie sich in alltäglichen Situationen verständigen).
Was lernt man während der INVOL?
Während der ganzen Dauer der Integrationsvorlehre hat die lernende Person eine Begleitperson. Diese erstellt einen Jahresplan mit Kompetenzprofil. Dort sind die praktischen Handlungskompetenzen (Grundfertigkeiten) und damit verbundene überfachliche Kompetenzen (Sozial- und Selbstkompetenzen) zu beschreiben. Zudem werden das schulische Grundlagenwissen und die zu erwerbenden Sprachkompetenzen aufgeführt. Das Ziel ist, dass die Person eine Basiskompetenz in einem Berufsfeld erlernt. Die INVOL dient als Vorbereitung auf die reguläre Lehre und für den späteren Berufseinstieg.
Der praktische Einsatz erfolgt dual, indem die Teilnehmenden während der ganzen INVOL zwei oder drei Tage pro Woche in einem Betrieb sind. Für den Betriebseinsatz erhalten sie eine angemessene Entschädigung. Während der ganzen Dauer der INVOL findet ein intensiver Sprachunterricht statt. Insbesondere werden dort das typische Vokabular und Ausdrucksweisen im entsprechenden Berufsfeld vermittelt sowie die kommunikative Kompetenz im betrieblichen Alltag gefördert.
Was macht die AMAG?
Die AMAG möchte dem Fachkräftemangel entgegenwirken und den Migranten eine Chance bieten, sich in die Gesellschaft zu integrieren. Die INVOL bieten wir im Moment nur im Raum Zürich an. Natürlich gibt es Bestrebungen, weitere Vorlehrstellen in anderen Regionen und Berufsfeldern anzubieten, beispielsweise in den Carrosserieberufen.
Wie kommen die Lernenden zu uns?
Die AMAG ist bei den Berufsinformationszentren (BIZ) bzw. den Laufbahnzentren (zurzeit nur Zürich) als Ausbildungsbetrieb registriert. Die Interessenten melden sich selbstständig beim BIZ an oder werden von einer Integrationsfachstelle vermittelt. In einem ersten Gespräch mit einer Fachperson des BIZ werden die persönlichen, sprachlichen und schulischen Voraussetzungen und Eignungen eines Interessenten abgeklärt. Es werden kognitive und psychologische sowie Sprach- und Mathematik-Tests durchgeführt, das Lernpotenzial abgeklärt sowie die Sozialkompetenzen geprüft. Die Kandidaten werden nach persönlichen Zielen gefragt, welchen Beruf sie gerne erlernen möchten, und Referenzen werden eingeholt. Danach folgen weitere Gespräche. Wenn ein Kandidat das Potenzial mit sich bringt, erhält der Betrieb die Empfehlung vom BIZ. Danach lädt der Betrieb den Bewerbenden zum Schnuppern ein.
Wie läuft die INVOL ab?
Für das erste Semester 2019 wurden bei der AMAG drei INVOL-Lehrstellen im Raum Zürich angeboten, eine in der Logistik und zwei als Automobil-Assistenten/-innen. Im ersten Semester besuchen die Lernenden zwei Tage die Schule, und drei Tage arbeiten sie im Betrieb. Im zweiten Semester sind sie vier Tage im Betrieb und gehen einen Tag zur Schule. Der Bund und die Kantone finanzieren den Schulunterricht mit, der insgesamt rund 20’000 Franken kostet. Während rund acht Tagen besuchen die Integrationsvorlernenden überbetriebliche Kurse.
Wichtig ist, dass es genügend Lernende in den verschiedenen Bereichen gibt, um Klassen zu bilden. Denn für die INVOL-Lernenden wird ein spezielles Schulprogramm auf die Beine gestellt.
«Man soll niemals aufgeben und immer weitermachen!»
Mit 13 Jahren ist Tomas Yemane mit seiner Mutter und seiner Schwester aus Eritrea geflohen. Rund zehn Jahre ist das nun her, damals gab es die INVOL noch nicht. Durch seinen Willen und seine Motivation hat der heute 23-jährige Tomas nach der erfolgreichen Ausbildung zum Automobil-Fachmann EFZ nun die Lehre als Automobil-Mechatroniker in der AMAG Autowelt begonnen. Damit ist er ein gutes Beispiel für eine erfolgreiche Integration.
Hallo, Tomas! Du hast im August in der AMAG Autowelt als Automobil-Mechatroniker die Lehre begonnen. Wie gefällt es dir bei der AMAG?
Tomas Yemane: Ich finde die AMAG grossartig. Die Autowelt ist riesig und gut ausgestattet. Meine Arbeitskollegen aus der ŠKODA Werkstatt unterstützen mich, wo sie nur können. Und für mich am wichtigsten: Ich lerne sehr viel. Ich lebe in Winterthur mit meiner Familie, und von da habe ich nur 20 Minuten Arbeitsweg.
Wie bist du zur AMAG gekommen?
Ich bin Anfang dieses Jahres temporär als Pneumonteur bei der AMAG Autowelt eingestiegen. Die Arbeit hat mir Spass gemacht und ich konnte mich beweisen. Nach der befristeten Anstellung habe ich mich nach offenen Stellen erkundigt. Mark Schäfer, der Werkstattleiter von ŠKODA, hat mir dann die Lehrstelle als Automobil-Mechatroniker angeboten. Ich durfte einen Tag schnuppern und war total begeistert.
Wie war für dich die Einfindungsphase in der Schweiz?
Als wir in die Schweiz kamen, haben wir zuerst sieben Monate in Zürich verbracht. Ich habe dann die Integrationsschule und einen Deutschkurs besucht. Danach sind wir nach Winterthur gezogen. Dort habe ich die Sekundarschule abgeschlossen und bin ins zehnte Schuljahr. Mit meinem Lehrer und der Schulleitung konnte ich ausmachen, dass ich ein Praktikum bei der Easy Car Repair AG in Winterthur beginne. An vier Tagen bin ich zur Schule gegangen, und einen Tag in der Woche habe ich im Lehrbetrieb gearbeitet. Nach dem zehnten Schuljahr habe ich dort die zweijährige Lehre als Automobil-Assistent EBA begonnen. Diese habe ich erfolgreich abgeschlossen und anschliessend die Lehre als Automobil-Fachmann mit eidgenössischem Fähigkeitszeugnis angehängt.
Warum hast du dich für die Autobranche entschieden?
In meiner Heimat war mein Grossvater ein bekannter Bauunternehmer. Er hatte immer Betriebsfahrzeuge. Ich bin oft mit ihm mitgegangen und habe ihm bei der Arbeit geholfen. Das war der Anfang für mein Interesse an Autos. Wenn er die Autos in die Garage zur Reparatur brachte, habe ich immer mit Begeisterung zugeschaut, wie diese zerlegt wurden. Es macht mir einfach Spass, mit Fahrzeugen zu hantieren. Ich bin ein grosser Audi-Fan und fahre selbst einen alten Audi S3. Darum konnte ich mich noch besser mit der AMAG identifizieren.
Was gefällt dir am besten an der Arbeit?
Neben meinem Team faszinieren mich die eingebaute Technik im Auto, die Farben und der Motor. Mein Lieblingstask ist es, den Motor auszubauen – ich finde es spannend, herauszufinden, wo das Problem liegt. Ich lerne so viel bei der Arbeit und bilde mich tagtäglich weiter – das ist für mich der grösste Erfolg.
Was gefällt dir an der Schweiz und was vermisst du an Eritrea?
Ich vermisse meine Familie und Freunde in Eritrea, dort habe ich 13 Jahre meines Lebens verbracht. An der Schweiz gefällt mir, dass sie so viele Möglichkeiten bietet. Man kann sein Leben richtig planen, denn jeder hier hat eine Zukunft.
Du hast eine wahnsinnige Leistung erbracht trotz vieler Stolpersteine. Was möchtest du den Lesern mit auf den Weg geben?
Sie sollen niemals aufgeben und einfach immer weitermachen. Irgendwann bekommt man die Belohnung für seine Bemühungen. Dranbleiben an den Bewerbungen und am Lernen von Neuem, so, wie ich es mit der deutschen Sprache gemacht habe. Es zahlt sich aus.
Interesse bei der AMAG einzusteigen? Wir freuen uns auf dich! Offene Stellen gibt es auf: jobs.amag.ch