Doch nun haben sie das Gegenteil bewiesen. Die Basis für den Rekord-Golf ist der Golf GTI Clubsport. In der Clubsport S Version verzichtet man auf die Rücksitze, die Hutablage, den variablen Ladeboden, die Mittelarmlehne und diverse Elemente zur Geräuschdämmung. Stattdessen kommt eine kleinere Batterie, ein Aluminium Hilfsrahmen an der Vorderachse, Aluminium-Bremstöpfe und eine Leistungssteigerung auf 310 PS und 380 Nm zum Einsatz. Nicht zu vergessen: Sturz an der Vorderachse um das Untersteuern zu eliminieren und die Clubsport-Aerodynamikänderungen um Abtrieb statt Auftrieb zu generieren. Hört sich gut an!
Die für die Performance wichtigen 235/35er Reifen von Michelin auf 19-Zoll-Leichtmetallfelgen des Typs „Pretoria“, das ebenfalls unverzichtbare DCC sowie eine Domstrebe und ein Trennnetz hinter den Sitzen brachten wiederum Gewicht mit. Bleiben trotzdem etwa 30 kg Gewichtseinsparung gegenüber einem vergleichbar ausgestatteten Golf GTI Clubsport.
Dass VW sich, trotz Mehrgewicht, für das DCC entschieden hat, zeigt klar, dass sie als Ziel nicht ein kompromissloses Tracktool wie zum Beispiel den über-harten Renault Mégane RS Trophy-R hatten, sondern auch die vielleicht etwas längere Anfahrt zur Rennstrecke über das DCC zu einem aushaltbaren Ereignis machen möchten. Perfekt also für Schweizer Rennstreckenbesucher, die jeweils mehrstündige An- und Rückfahrten zu Rennstrecken in Kauf nehmen müssen.
Doch zurück zu unserem Besuch an der Nordschleife und dem Golf GTI Clubsport S. Wie fährt er sich den nun? Zeit für eine Testfahrt am Ort des Rekordes. Kurzes Briefing und los. Handschaltung, wunderbare Schalensitze und typische GTI Designmerkmale warten im Rekordfahrzeug. Also Motor an, „Individual“-DCC-Einstellung rein, denn damit gehen die Parameter Sound, Motor und Lenkung in den „Race“ Modus, während sich das Fahrwerk in „Komfort“ hält. Aber keine Angst, hinter Komfort steckt im Clubsport S nicht der Oma-Modus, sondern das spezielle Nordschleifen-Setup.
Erster Gang eingelegt und wir fahren raus auf die lange Gerade der Döttinger Höhe. Schnell wird klar, Volkswagen hat an einigen wichtigen Orten Hand angelegt. Im Gegensatz zum von uns getesteten GTI Performance Limited Edition, der etwa auf Augenhöhe mit dem normalen GTI Clubsport ist, hat es der Clubsport S faustdick hinter den Ohren. Volkswagen hat den Durchmesser der Abgasanlage vor den Endtöpfen im Abgasendrohr auf 65 statt wie bisher 55 mm erhöht, damit reduziert sich der Gegendruck und die Leistung steigt. Positiver Nebeneffekt der Modifikationen: Die Abgasanlage entwickelt beim Verzögern ein wunderbares Bollern und beim Schalten unter Last ein feines dezentes Knallen, was viel mehr Emotionen auslöst als das 0815-DSG-Furzen.
Wieso das nicht bei jedem GTI ab Werk so ist? Wir wissen es nicht. Es wäre eine kleine Änderung mit grosser emotionaler Wirkung für den Fahrer. Zurück zu unserer Nordschleifen-Runde: Die ersten Kurven stehen an, also spät anbremsen, einlenken und wieder früh auf Gas. Der GTI ist sehr handlich, gibt viel Feedback wie es um die Traktion an der Vorderachse steht und die Michelin Pilot Sport Cup 2-Reifen kleben wie Kaugummi auf dem Asphalt. Hinein in Hatzenbach, hier zeigen die meisten Dämpfer ihre Schwächen, spätestens wenn man die Curbs aktiv „mitnimmt“, aber das Setup im GTI ist perfekt. Wartet man auf Untersteuern beim Kurveneingang wird man enttäuscht, das Auto liegt ruhig und präzise. Ein Blick auf den Tacho verrät, dass wir dabei verdammt schnell unterwegs sind. Freude kommt auf und ich fordere Kurve für Kurve den GTI immer mehr.
Erstaunlich für mich, besonders im Vergleich zum Mégane RS, den ich ebenfalls über die Nordschleife prügeln durfte, ist die hohe Stabilität und Präzision beim starken Anbremsen. Wo sich der Mégane eingangs Hatzenbach mit einem „Lift-off Oversteer“ einige Show-Punkte sicherte und allgemein ein leichtes Heck hatte, ist der GTI dank verbessertem Bremsverhalten und den schon erwähnten Aerodynamikmassnahmen präzise und sicher, auch am Limit. Noch nie hatte ich so viele Emotionen und Fahrfreude in einem modernen GTI.
Die Getriebewahl ist bedingt durch das Mehrgewicht vom DSG auf die Handschaltung gefallen. Puristisch, gefällt mir sehr. Allerdings sind die Schaltwege, im Vergleich zum ebenfalls mit Handschaltung getesteten Seat Leon Cupra 280, etwas länger und weniger knackig als im Seat. Eine Schaltwegverkürzung würde definitiv für noch mehr Spass sorgen.
Der Innenraum des Rekordhalters VW Golf GTI Clubsport S ist typisch GTI. Gute Sportschalensitze mit GTI Muster, Alcantara-Lenkrad mit roter 12-Uhr-Markierung, Handschaltung mit dem berühmten Golfball, etwas Carbon-Applikationen für Mittelkonsole und Armaturenbrett sowie optional Navigation und Klima. Hinter uns glänzt eine dicke Domstrebe und ein Trennnetz. Bügel, 4-Punkt-Gurte oder Feuerlöscher gibt es nicht im VW Regal. Eigentlich schade, wenn man doch die besten Zutaten für schnelle Runden an Bord hat, aber dann auf diese Rennsportattribute verzichtet. Nun ja, kann man ja noch nachrüsten…
Den Clubsport S wird es weltweit nur 400-mal geben; 50 davon werden in der Schweiz ausgeliefert. Die Farben der Sonderserie folgen dem Ur-GTI: „Tornado-Rot“,“Pure White“ und „Deep Black Perleffekt“. Das Dach des weissen und roten GTI ist optional schwarz lackiert. Keine Wahl gibt es bei der Anzahl Türen und dem Getriebe, es wird in jedem Fall ein handgeschalteter Zweitürer sein. Den Clubsport S kann man ab Herbst 2016 bestellen, ein Preis für die Schweiz ist noch nicht bekannt.
Videoclip zur Testfahrt:
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