Zeitreise zurück ins Jahr 2002. Eine Jugendliche ist auf der Suche nach einer Lehrstelle als kaufmännische Angestellte. Was sie dafür braucht? Passende Stelleninserate, einen Lebenslauf, ein Foto, ein Bewerbungsschreiben. So weit, so gut – so weit gleich wie heute. Trotzdem sind die Unterschiede im Bewerbungsprozess frappant: Die Lehrstellen hat sie vor knapp 20 Jahren im wöchentlich erscheinenden Amtsblatt gesucht, in der Zeitung oder im Berufsinformationszentrum. Den Lebenslauf hat sie auf dem PC geschrieben, das Foto dazu war ein Passfoto vom Passfotoautomaten, aufgeklebt mit Leim. Im Lebenslauf standen neben den persönlichen Daten auch Dinge wie der Beruf des Vaters und der Mutter und die Information, ob man Geschwister hat. Das Bewerbungsschreiben? Von Hand geschrieben, weil es sich so gehörte, «es chunnt besser a». Verschickt wurde das Ganze in einer Bewerbungsmappe und einem A-Post-Couvert.
Und heute? Das Vorgehen, die handschriftliche Bewerbung und das geklebte, unprofessionelle Passfoto: undenkbar! Die heutigen Lehrstellen (ja gar die Schnupperlehrstellen) werden nur noch online ausgeschrieben. Die Bewerbungsschreiben und Lebensläufe sind oftmals kreativ gestaltete Blätter mit professionellen Bewerbungsfotos. Die Bewerbung der Lernenden erfolgt elektronisch via Onlineformular auf future.amag.ch. Für die Jugendlichen scheint dieser Wandel über die letzten Jahre kein Problem darzustellen. Es gibt aber auch die Kehrseite der Medaille: Kleinere Unternehmen (je nach Branche), ältere Lehrpersonen, aber auch einige Eltern können mit diesen Trends nicht mithalten. Eltern und Lehrpersonen können die künftigen Lernenden bei ihren Bewerbungen nicht mehr optimal unterstützen. Es fragt sich deshalb, wie weit die Digitalisierung bei der Rekrutierung der Lernenden gehen soll.
Fitore Velija, Projektleiterin Berufsbildung in der AMAG erklärt: «Wir erwarten von den Jugendlichen eine gewisse Affinität zur digitalen Welt, auch wenn ihr Beruf, den sie ausüben werden, nicht im Büro ist. Die heute 14-, 15-Jährigen sind mit Laptops und den gängigen Programmen aufgewachsen und als «Digital Natives» (Anmerkung der Red.: der Begriff Digital Natives bezeichnet Personen, die in der digitalen Welt aufgewachsen sind) fällt es ihnen nicht schwer, ein Bewerbungsschreiben am PC zu verfassen und online einzureichen. Uns ist es aber trotzdem wichtig, dass wir die Jugendlichen für ein Interview persönlich treffen. Wir möchten ein Gefühl für die jungen Erwachsenen bekommen, und dafür ist der persönliche Kontakt beim ersten Gespräch und während der Schnupperlehre für uns unabdingbar.»
Die Veränderungsbereitschaft der Jugendlichen ist gross
Die Digitalisierung betrifft aber nicht nur den Bewerbungsprozess, sondern vor allem auch die Ausübung des Berufs. Die verlangten Fähigkeiten und die Erwartungen an einen Beruf sind heute ganz andere als noch vor einigen Jahren. Die Jugendlichen müssen von Anfang an Flexibilität beweisen, indem sie beispielsweise neue Programme, die sie für ihren Alltag benötigen, rasch erlernen können. Sie erwerben mit den heutigen Bildungsplänen Kompetenzen, die sie in verschiedenen Fachbereichen anwenden können – und nicht nur spezifische Fachkenntnisse aus ihrem persönlichen Kernbereich. So sind die Lernenden flexibel in anderen Fachbereichen einsetzbar, und sie sind vorbereitet, wenn Veränderungen auf sie zukommen. Dadurch ist die Bereitschaft, Veränderungen anzunehmen, bei Lernenden meistens grösser als bei älteren Mitarbeitenden. Die Jugendlichen sind mit der digitalen Transformation aufgewachsen, und sie sind es gewohnt, sich ständig auf Neues einzulassen.
Konkret bedeutet die Digitalisierung für die Lernenden, dass sie sich neuen Herausforderungen stellen müssen. Beispielsweise treffen Automobil-Mechatroniker bei Elektro- und Hybridautos auf ganz neue Technologien, für die neues Know-how erforderlich ist. Nico Hangartner, Automobil-Mechatroniker im 3. Lehrjahr, sieht die Zukunft seines Berufs so: «Ich werde künftig noch mehr mit dem Diagnosegerät arbeiten, da die ganzen Systeme weiter vernetzt werden. Das Fahrzeug wird ähnlich bleiben, denn ganz digitalisieren kann man es nicht, deshalb werden gewisse Bereiche unserer Arbeit so bleiben, wie sie heute sind.» Nico weiss, dass Roboter bereits heute im Autobau und stark bei Routinearbeiten eingesetzt werden. Trotzdem glaubt er, dass er und seine Arbeitskolleginnen und Arbeitskollegen in den nächsten Jahren nicht durch Roboter ersetzt werden. Denn er ist überzeugt: «Für das vernetzte Arbeiten und das Darstellen von Zusammenhängen braucht es uns noch eine Weile.»
Der Nachwuchs weiss, dass es gerade aufgrund dieser Veränderungen wichtig ist, sich stetig weiterzuentwickeln. Nico ist überzeugt: «Wir Jungen sind bereit für die digitale Welt, denn wir kennen die neuen Technologien und haben keine Angst davor.» Auch Alain Soto, ausgelernter Automobil-Mechatroniker, denkt bereits zwei Schritte weiter: «Die mechanischen Arbeitsabläufe werden zurückgehen, und die präzisere Elektronik wird alles dominieren. Eine Weiterbildung in diesem Bereich wird sich deshalb lohnen, da es zahlreiche interessante Aspekte zu lernen gibt.»
Auch in den Berufsschulen hält die Digitalisierung immer stärker Einzug: Schulbücher, physische Ordner und Skripts werden durch eine Onlineplattform ersetzt, auf die man via Tablet oder Laptop zugreifen kann. Lernende erhalten die Lehrmittel elektronisch und arbeiten gemeinsam in Clouds. Das ist zum Beispiel bei der Berufsschule in Baden bereits Alltag. In den AMAG Betrieben und in den überbetrieblichen Kursen lernen die Jugendlichen dann das Praktische über die neuen Technologien unserer Branche. Auch unsere AMAG Academy führt diverse Kurse, bei denen beispielsweise neue Automodelle oder andere Innovationen thematisiert werden. Unsere ausgewählten Young Talents (Anmerkung der Red.: Lernende mit gutem Notendurchschnitt im schulischen und betrieblichen Bereich) haben die Möglichkeit, solche Kurse kostenlos zu besuchen.
Lernende prägen unsere Zukunft massgeblich mit
Wenn wir diese Veränderungen anschauen, stellt sich die Frage, welche Berufe es künftig noch in der heutigen Form geben wird und welche Berufsbilder sich stark verändern werden.
Fitore kann unseren Nachwuchs beruhigen: «Natürlich braucht es nach wie vor Manpower in allen Berufen. Wie Nico gesagt hat, können zwar gewisse Routinearbeiten von Robotern oder Computern übernommen werden, viele Arbeiten benötigen aber weiterhin das Denken und Handeln von uns Menschen. Trotzdem ist es wichtig, dass wir am Ball bleiben und auch auf unserem künftigen Weg stetig dazulernen und uns weiterbilden. Aber das haben viele unserer Jugendlichen ja bereits verstanden.»
In Sachen digitale Transformation können wir unseren Lernenden also definitiv nichts vormachen. Wir sollten sie wohl eher viel mehr involvieren und nach ihren Ideen fragen, denn sie sind motiviert, die AMAG voranzubringen. Ausserdem bringen sie eine gute Portion Neugier mit und zeigen sich offen gegenüber der digitalen Welt.
Die AMAG hat sich mit der #LifelongLearning-Kampagne dazu verpflichtet, Weiterbildungen ihrer Mitarbeitenden – insbesondere im digitalen Bereich – zu unterstützen. Mehr zur AMAG als Arbeitgeberin unter: jobs.amag.ch und zu den Lehrberufen untern: future.amag.ch