Die letzten Jahre geriet das Weltgeschehen immer öfters in Schieflage und so manchmal hatte ich ein beklemmendes Gefühl, wohin das alles führen wird. Aber niemals hätte ich daran gedacht, dass sich ein Virus nicht in einem Netzwerk, sondern weltweit unter der Bevölkerung festsetzt. Corona war nicht einfach mehr ein Bier, sondern eine ernste Krankheit, welche unser Leben von heute auf morgen verändern sollte.
In den Online-Medien las man von Hamsterkäufen, in der Tagesschau dominierten Beiträge von leeren Regalen. Sondersendungen prägten das TV-Programm am Abend und verheerende Nachrichten sowie Eindrücke aus Italien erreichten uns.
Solidarität bekommt einen Namen: Audi4Heroes – der Audi Hero Shuttle
Den Applaus vom Balkon für das Pflegepersonal erachtete ich als symbolischen Akt und war ein Zeichen der Solidarität, aber in mir wuchs das Bedürfnis zu helfen. Nur wie, wenn man selbst eigentlich zuhause bleiben soll? Trotz Isolation im Home-Office war ich mit diesen Gedanken wohl nicht allein.
In einer der ersten Online-Team-Besprechungen der Audi Division wurde eine Idee präsentiert, welche mich sofort begeisterte. Unter dem Projektnamen «Audi4Heroes» wurde der geplante Shuttle-Service für Ärzte und Pflegpersonal des Stadtspital Triemli und Stadtspital Waid in Zürich präsentiert. Die kreative Idee des Audi Marketing-Teams und der Speed, wie innert Kürze eine wirklich nützliche Massnahme entwickelt und umgesetzt werden kann, hat mich fasziniert. Es zeigt, was Mitarbeitende mit Leidenschaft alles erreichen können. Für mich war deshalb klar, dass ich mich als freiwilliger Fahrer für den Audi Hero Shuttle melden werde und damit den Menschen an der Front etwas zurückgeben kann.
Nervosität pur
Am 4. April 2020 und somit am zweiten Tag der Audi Hero Shuttle-Aktion war dann mein erster Einsatz. Früh machte sich Nervosität bemerkbar, dachte ich doch auch an den eigenen Schutz. Noch war mir das Schutzkonzept für die Fahrten nicht bekannt und die Ansteckungszahlen waren nach wie vor steigend. Zudem kam hinzu, dass ich als Produkt Manager Audi Sport eher als Pferdeflüsterer bekannt bin und damit auch meine erste Fahrt mit dem vollelektrischen Audi e-tron bevorstand.
Der erste Einsatz verlief unerwartet ruhig. Mit insgesamt sechs Audi e-tron warteten wir in der Frühlingssonne auf das erschöpfte Personal. Doch zum angekündigten Schichtende kamen nur vereinzelte Mitarbeitende aus dem Spital und diese wurden entweder abgeholt oder kannten das Angebot noch nicht. Es hatte ihnen schlicht die Zeit gefehlt, um alle Emails und Mitarbeiterinformationen zu lesen. Es entwickelten sich viele kleine und sehr interessante Gespräche, welche uns zeigten, dass durch den ausgedünnten Fahrplan der öffentlichen Verkehrsmittel eine zusätzliche Nachtschicht sinnvoll wäre. Innert Kürze haben wir auch diesen Wunsch umgesetzt.
Am zweiten Tag erlebte ich dann, nicht minder nervös, die erste persönliche Fahrt. Diese führte mich nach Brugg und damit in die Nähe unseres ehemaligen Arbeitsortes vor dem Umzug nach Cham: Schinznach-Bad. Natürlich war meine Neugier gross, wie die Situation im Spital wirklich ist und die Pflegefachfrau auf dem Rücksitz hatte frei – und wahrlich ungeschminkt – mir die Realität erzählt. Ebenso habe ich erfahren, dass sie dank unserer Hilfe nun über 30 Minuten früher nach Hause gekommen sei und die 2- und 5-jährigen Kinder noch sehe, bevor diese zu Bett gehen müssten und einschliefen. Ein emotionaler Moment, welcher mich berührte. Zugleich spürte ich eine grosse Dankbarkeit, welche mir bestätigte, wie wichtig unsere Hilfe ist.
Geschichten, die das Leben schreibt
In der Zwischenzeit bin ich mit dem Audi Hero Shuttle über 15 Einsätze gefahren. Total werden es wohl 20 sein, und ich habe unzählige Kilometer zurückgelegt. Bei Fahrten nach Brugg, Lenzburg, Greifensee, Schmerikon, Hinwil, Adliswil, Knonau oder auch einfach nur in der Stadt Zürich habe ich buchstäblich viele elektrisierende Geschichten erfahren. Geschichten, die das Leben schreibt.
Da war die sehr redselige Frau, welche mir auf der längeren Fahrt nach Hause fast jeden Handgriff aus ihrem Arbeitsalltag erklärte. Jetzt kenne ich alle ihre Aufgaben, weiss aber auch, welch grosser Aufwand aufgrund der Schutzmassnahmen hinter jedem Arbeitsschritt steckt.
Von einer sympathischen Kanadierin habe ich erfahren, dass sie nach einer langen Fernbeziehung nun in die Schweiz zu ihrem Freund gezogen ist. Von ihr lernte ich, dass Dating-Apps auch im Urlaub in Israel gut funktionieren.
Eine Pflegefachfrau hat mir von ihrem Mann erzählt, welcher mit dem Motorrad manchmal auf Rennstrecken seine Kreise drehe und dass sie Valentino Rossi kennte. «Sie wissen doch, wer Valentino ist, oder?» war ihre scheue Rückfrage. Sie erzählte darauf, dass sich eben dieser Valentino mit positiven Nachrichten meldete und von ersten Lockerungen in Italien berichtete. Fast schon entschuldigend führte sie an, dass sie im Tom Lüthi Fan Club sei. Beim Aussteigen fragte sich mich, ob ich morgen wieder da sei und ich sie wieder heimbringen würde.Aber auch die «Angels in White» sind nicht vor Unfällen verschont. Ein Lastwagen hat das geparkte Auto einer jungen Ärztin derart verformt, dass sie es nicht mehr fahren konnte. Entsprechend froh war sie um den kostenlosen Audi Hero Shuttle, welcher sie noch zu später Stunde in den abgelegensten Stadtteil von Zürich brachte. Während der Fahrt kamen wir auch auf Erholung der anderen Art zu sprechen: Reisen. Entsprechend liess mich von ihren Plänen inspirieren. Wer weiss, wohin es mich das nächste Mal verschlägt.
Eine Lernende zur Fachfrau Gesundheit hatte mir erzählt, dass sie nun keine Lehrabschlussprüfung machen müsste. Ach, wie wäre ich selbst damals froh gewesen, wenn ich den Fachausweis ganz ohne Prüfung erhalten hätte. Sie meinte weiter, dass dies vielleicht auch der verspätete Lohn für ihren Verzicht sei. So musste sie für die Ausbildung sowohl den Mannschaftssport wie auch das Musizieren aufgegeben.
Mit der Zeit ergaben sich auch «Stammgäste», welche mir mit Absetzen der Gesichtsmaske ein erleichtertes Lächeln schenkten und sich auf die gemütliche Heimfahrt freuten. Nur eine Frau nahm lieber das Fahrrad. Auf unseren Hinweis, dass wir doch auch umweltschonend unterwegs seien, entgegnete sie keck: «Bei einem tollen V8-Verbrenner hätte ich das Fahrrad stehen lassen.» Klar, dass mir diese Worte ein schelmisches Grinsen entlockten.
Dankbarkeit kennt keine Grenzen
Besonders ist mir aufgefallen, wie viele verschiedene Nationalitäten sich um unsere Gesundheit sorgen. Neben Schweizern aus allen Landesteilen gibt es auch Helden aus Deutschland, Bosnien, Kanada oder gar aus dem fernen Indien. Menschen, welche ich ohne diesen Einsatz vermutlich niemals getroffen hätte. Sie alle kennen keine Grenzen und haben auch uns gegenüber enormer Dankbarkeit gezeigt. So versüsste uns ein Pfleger den nächtlichen Einsatz mit einer Schachtel «Merci».
Bei den Einsätzen habe ich auch viele neue AMAG Mitarbeitende aus unterschiedlichen Abteilungen kennengelernt. Diese Kolleginnen und Kollegen haben teilweise eine Anreise von bis zu einer Stunde in Kauf genommen, um zu helfen und Fahrten mit dem Audi Hero Shuttle zu absolvieren. Dankbarkeit kennt wahrlich keine Grenzen.