Es brauchte Weitsicht, um 1945 ins Autogeschäft einzusteigen. AMAG Gründer Walter Haefner besass diesen Pioniergeist. Wer auf die letzten 75 Jahre zurückblickt, erkennt die wegweisenden Entscheide entlang der AMAG Geschichte. Dazu gehören der sehr frühe Einstieg in die elektronische Datenverarbeitung, logistische Weichenstellungen, eine vorausschauende Immobilienstrategie, der Einstieg in das Autofinanzierungsgeschäft, der Aufbau eines umfassenden Garagennetzes, erfolgreiche Investitionen in andere Geschäftsfelder und heute in neue Mobilitätsformen.
Der Beginn: die «Neue AMAG»
AMAG Gründer Walter Haefner zeigte schon früh, dass er eine gute Nase für Trends und Geschäftsmöglichkeiten besass. Als der Zweite Weltkrieg ausbrach, wurden Benzin und Diesel für
Private knapp. Autos liessen sich nur noch betreiben, wenn sie mit einem Holzvergaser ausgestattet wurden. Auf diese Chance setzte Haefner ab 1941 mit seiner ersten eigenen Firma Autark. Gleichzeitig wusste er, dass sein Geschäft nach dem Krieg zusammenbrechen würde. Darauf richtete er sich früh aus und übernahm am 3. Januar 1945 vom Konkursamt Riesbach die finanziell ramponierte AMAG Automobil- und Motoren AG und gründete die «Neue AMAG Automobil- und Motoren AG». Seine Vision: hochwertige Automobile in die Schweiz zu importieren. Im Blickfeld hatte er von Anfang an den robusten «Volkswagen». Doch die englische Marke Standard war die einzige, die direkt nach dem Krieg zu haben war. Anfang 1946 überführten Schweizer Chauffeure die ersten zehn Standards vom französischen Le Havre in die Schweiz, wo Haefner sie verkaufte. Ende 1946 kamen die amerikanischen Chrysler, Plymouth, DeSoto und Dodge hinzu.
Der Sitz der «Neuen AMAG» war zu Beginn am Utoquai in Zürich. Doch schon bald reichte der Platz für das wachsende Geschäft nicht mehr aus. 1947 kaufte Haefner deshalb in Schinznach-Bad im Aargau zusätzlich das Gelände einer ehemaligen Zementfabrik und richtete sich dort ein. Kurz darauf begann die AMAG in den Fabrikationshallen eine moderne Kleinmontageanlage für die englischen und amerikanischen Importfahrzeuge aufzubauen. Der Gedanke dahinter: Für demontiert in Kisten eingeführte Fahrzeuge waren die Importzölle deutlich niedriger, weil das eigene Handwerk von der Montage profitieren konnte. Zudem konnte die AMAG in der eigenen Montage Qualitätsstandards gewährleisten, denen viele der Importfahrzeuge nicht genügten.
Teile- und Fahrzeuglogistik: Vorausschauende Standortwahl
Schinznach-Bad war das Zentrum der AMAG Aktivitäten. Zusätzlich zur Montage kamen zuerst auch alle fertig importierten Fahrzeuge dahin; die VW Käfer kamen inzwischen nicht mehr auf der Strasse, sondern per Bahn. Das rasch wachsende Ersatzteillager war auf mehrere Holzhütten verteilt.
Anfang der Fünfzigerjahre entschied man sich, das Ersatzteilgeschäft in ein eigenes Zentrum auszugliedern. Die Standortwahl löste Erstaunen aus: Das 1957 eröffnete zentrale Ersatzteillager (heute Teilelogistik Zentrum) wurde in Buchs ZH realisiert, damals ein kleines Bauerndorf im Furttal, fern von Märkten und Verkehrswegen, aber mit Bahnanschluss. Fragen warf auch der Standort des 1965 eröffneten Fahrzeuglogistik Zentrums Birrfeld bei Lupfig AG auf. Doch beide Standorte liegen heute passend inmitten grosser Agglomerationen, direkt bei Autobahndrehkreuzen, und sind an den internationalen Schienenverkehr angeschlossen. Sie ermöglichten der AMAG den frühen Aufbau eines leistungs- und wachstumsfähigen Logistiknetzwerks, ohne welches das Unternehmen seine heutige Marktposition kaum erreicht hätte.
Aufbau des Absatznetzwerks
Weitblickend agierte die AMAG auch beim Aufbau ihres Absatznetzwerks. 1952 eröffnete sie einen ersten Filialbetrieb in Bern. 1956 folgte in Zürich an der Ueberlandstrasse eine weitere neue Grossgarage. Viele fragten sich, was eine so grosse Garage in den Kartoffeläckern ausserhalb der Stadt zu suchen hatte. Doch
auch in diesem Fall erwies sich die Standortwahl zwischen dem wachsenden Zürich und dem Flughafen Kloten als richtig. Die AMAG Ueberland war bis 2011 das Flaggschiff des Unternehmens. Und mit dem Mövenpick-Restaurant im Betrieb wurde sie sogar zu einem Ausflugsziel.
Die AMAG Ueberland markierte den Bau einer ganzen Reihe von eigenen Garagen in den wichtigen Schweizer Zentren wie Bern, Biel, Genf und Lausanne. Ab 1959 realisierte sie zudem in kleineren Zentren zahlreiche Garagen, die sie an selbstständig arbeitende Franchising-Unternehmen vermietete. So erreichte das Unternehmen rasch eine landesweite Präsenz, die sein Wachstum und seinen Erfolg stützten.
Einen Meilenstein setzte die AMAG 2011 mit der Eröffnung der AMAG Autowelt in Dübendorf. Das bis heute in der Schweiz und ganz Europa einzigartige Konzept vereint den Verkauf und die ganzen Aftersales-Dienstleistungen aller Automarken der AMAG für ein grosses Einzugsgebiet unter einem Dach – in unmittelbarer Nähe einer Bahnhaltestelle.
Weiter hat die AMAG in den letzten Jahren insbesondere in Einrichtungen investiert, die sich freie Garagisten nicht leisten können. Dazu gehören spezialisierte Karosserie- und Lack-Centers wie jenes in Lengwil bei Kreuzlingen TG oder das im Bau befindliche Zentrum in Wettswil bei Zürich. Solche effizienten Dienstleistungsfabriken sind bereits auf den Markt der Zukunft ausgerichtet – mit mehr Elektroautos, weniger Wartung, durch autonome Fahrzeuge reduzierte Unfallzahlen, aber mit komplexeren Schadensbildern.
Unterstützung für das Kerngeschäft
Bereits 1953 erkannte AMAG Patron Walter Haefner, dass der Kauf eines eigenen Autos für viele Menschen eine hohe finanzielle Hürde darstellt. Deshalb gründete er als Gefäss für die Finanzierung von Autokäufen die Aufina AG, die er später an die Schweizerische Bankgesellschaft verkaufte.
Eine weitere für die AMAG wichtige Investition tätigte er 1959 mit dem Automation Center (AC) in Wettingen, nachdem er bereits seit 1954 Versuche mit damals gerade erst verfügbar gewordenen Festplattencomputern gewagt hatte. Das AC stellte als Schwesterfirma der AMAG den Firmenrahmen für den Kauf des ersten kommerziell erfolgreichen Computers Ramac 305 von IBM dar – ein damals enorm teurer Schritt. Die Überlegung dahinter: Die Bewirtschaftung des AMAG Ersatzteillagers erfolgte manuell mit Karteikarten – eine unendlich mühsame und aufwendige Prozedur. Dank des Elektronenhirns im Automation Center, das dem Ersatzteillager in Buchs Dienstleistungen verkaufte, gelang der AMAG der Sprung ins digitale Zeitalter deutlich früher als Mitbewerbern.
Für die Garagen und Händler entwickelte das Automation Center zudem Software für Buchhaltung, betriebliche Statistiken und Personalwesen, die es auch an Dritte verkaufte. Das Geschäft war so erfolgreich, dass Haefner das Automation Center mit Filialen in Genf, Basel und in verschiedenen europäischen Ländern nach einigen Jahren über einen Aktientausch in eine amerikanische Firma einbrachte.
Früh erfasste die AMAG auch, dass das Leasinggeschäft ein wichtiges Standbein einer integriert tätigen Autoimporteurin, Autoverkäuferin und Mobilitätsdienstleisterin sein muss. Seit 1980 ist dieser Aufgabenbereich in der AMAG Leasing AG zusammengefasst. Sie verleast Einzelfahrzeuge und Fahrzeugflotten an Privat- und Firmenkunden und bietet darüber hinaus ein umfassendes Dienstleistungsspektrum – von der Tankkarte bis zum computergestützten Fleetmanagement.
Aus- und Weiterbildung seit den ersten Tagen
Die AMAG bildet seit ihrer Gründung Lernende aus. Als erstes Unternehmen der Autobranche richtete sie im Mai 1956 in einem Hochhaus im Zürcher Escher-Wyss-Quartier zudem eine eigene Lehrwerkstätte ein – die sogenannte Werkschule. In der ganzen europäischen Autobranche gab es damals nichts Vergleichbares.
Seither sind mindestens 10’000 junge Menschen bei der AMAG in die Berufswelt eingestiegen. Heute ist rund jeder achte Mitarbeitende der AMAG ein Lernender oder eine Lernende in einem von 16 Berufen. Das Unternehmen hat damit eine der höchsten Ausbildungsquoten in der Schweiz. Viele der Lernenden bleiben beim Unternehmen oder kommen später zurück. Gleichzeitig übernimmt die AMAG mit ihrem Engagement gesellschaftliche Verantwortung. Für das Ausbildungsengagement durfte die AMAG 2016 im Beisein von Bundesrat Schneider-Ammann den ersten Nationalen Bildungspreis der Hans Huber Stiftung und der Stiftung FH SCHWEIZ entgegennehmen.
Neben der Ausbildung legte und legt die AMAG auch grossen Wert auf die Weiterbildung. 1988 zentralisierte sie diese Aktivitäten in einem neu erbauten, damals hochmodernen Ausbildungscenter in Schinznach-Bad, der heutigen AMAG Academy. Dafür beschäftigte sie bereits damals eigene Lehrkräfte, die in allen drei grossen Landessprachen unterrichten konnten. Gleichzeitig wurden dort jene Fachleute weitergeschult, die in einem dreijährigen Lehrgang das Abschlussdiplom «Diplomierter Techniker VW/Audi» erwerben wollten – ein absolutes Novum in der Automobilbranche.
Vorbereitet für die Zukunft
Als AMAG Gründer Walter Haefner 1910 geboren wurde, waren in der Schweiz 2’276 Personenwagen registriert – heute sind es rund 4,6 Millionen. Der allergrösste Teil dieses enormen Wachstums fiel auf die Zeit zwischen 1950 und 2000. Die AMAG hat diese Veränderung der Mobilität mitgeformt und ist mit ihr gross geworden. Seit einigen Jahren zeichnet sich nun eine weitere Veränderungswelle ab, die insbesondere von der technologischen Entwicklung im Bereich der Elektromobilität, der selbstfahrenden Fahrzeuge, neuer Mobilitätsangebote sowie von Umweltaspekten getrieben wird. Entsprechend hat die AMAG ihre Vision angepasst. Ihr Ziel ist nun, sich zum führenden Anbieter von nachhaltiger individueller Mobilität zu entwickeln.
Wer in solchen Zeiten der Veränderung mithalten will, muss über entsprechendes Know-how verfügen und
agil sein. Mitte 2018 gründete die AMAG deshalb das Innovation & Venture LAB. Sein Ziel ist, Innovationen und neue Geschäftsmodelle zu entwickeln sowie Beteiligungen und Start-ups operativ zu führen. Dazu spürt das LAB Mobilitätstrends auf, vernetzt sich mit führenden Universitäten und setzt sich mit Initiativen des Volkswagen Konzerns auseinander. Aktuelle Themen im Innovation & Venture LAB sind zum Beispiel Connectivity, Mobility as a Service, E-Mobility Services sowie disruptive E-Business-Modelle.
Dank ihres Pioniergeists hat sich die AMAG von der Importeurin britischer Autos direkt nach Ende des Zweiten Weltkriegs zu einer grossen und landesweit bestens positionierten Mobilitätsanbieterin entwickelt. Was die Zukunft genau bringt, kann niemand sagen. Martin Haefner, seit 2005 Verwaltungsratspräsident und seit 2018 Inhaber hat seine Vision für seine AMAG definiert: «Wir wollen uns zum führenden Anbieter von nachhaltiger individueller Mobilität entwickeln».