Dass Hollywood noch nicht angeklopft hat, um seine Lebensgeschichte zu verfilmen, ist ein Wunder. Denn die Walter Haefner Story bietet alles, was grosse Filme ausmacht: Spannung, überraschende Wendungen und jede Menge Action. Wer den Patron der Schweizer Autoindustrie kannte, weiss aber, dass er solch einem Projekt allerdings sicher niemals zugestimmt hätte. Weil er in seinem Auftreten immer sehr bescheiden war. Statt eines schnittigen Sportwagens oder einer polierten Edellimousine fuhr er bis ins hohe Alter einen unscheinbaren VW Golf oder Škoda. Und das erwirtschaftete Kapital aus seinen verschiedenen Firmen hat er immer wieder in dieselbigen und viele soziale Projekte gesteckt.
Als Walter Haefner im Jahr 1910 in Zürich geboren wird, sind noch keine rassigen Flitzer rund ums Central unterwegs. Sondern Pferdekutschen und ein paar vereinzelte, laut knatternde Autodroschken. Er wächst in Zürich-Wollishofen auf und ist eines von sieben Kindern des Tibet-Missionars August Wilhelm Haefner und dessen Frau Elise Meta. Der aktive und fröhliche Junge hat viele Freunde. Und weil er auch noch schlau ist, schliesst er als 19-Jähriger die kantonale Handelsschule mit guten Noten ab. Anschliessend arbeitet er als Ölverkäufer bei der Firma Shell und bereist Garagenbetriebe in der ganzen Schweiz. In kürzester Zeit zum Junior-Verkaufschef aufgestiegen, bringt er es zu einem ansehnlichen Verdienst. Doch die Ferne ruft: Weiterbildungen in Paris und London folgen.
Währenddessen macht sich der damalige Direktor von Shell Zürich selbständig und vertreibt Motorenöle und Benzine seiner Eigenmarke Motul von Wädenswil aus. Der junge Haefner wird als neuer Firmenleiter engagiert – und das in einer Zeit, in der die Wirtschaftskrise das Land durchschüttelt. Er muss seinen Vertretern ein gutes Vorbild gewesen sein. Noch heute wird erzählt, wie er auf seinen Reisen durch die Schweiz überall an Scheunen, die an stark befahrenen Strassen lagen, das Email-Reklameschild der Firma Motul eigenhändig ans Holz nagelte.
Walter Haefner baut das Unternehmen mit auf. Bis dessen Inhaber 1939 alle seine Vertreter entlässt. Aus Protest und Solidarität kündigt Haefner auch gleich – Ende der 30er-Jahre ein äusserst mutiger Entscheid. Aber er zeigt deutlich, dass ein grosses Herz in der Brust des damals 29-Jährigen schlägt. Sein Ruf als Verkaufstalent eilt ihm voraus und die Schweizer Niederlassung von General Motors stellt ihn ein. Es sind übrigens Weggefährten aus dieser Firma, die später entscheidend die Entwicklung der AMAG und jene von Volkswagen in der Schweiz beeinflussen.
Die Welt ist 1939 ein Pulverfass. Bombenhagel geht rund um die Schweiz nieder. Haefner verabschiedet sich – sehr zum Bedauern von General Motors – nach einem kurzen Gastspiel wieder. Er sieht während des Zweiten Weltkrieges keine Zukunft mehr im Verkauf von Neuwagen. Denn der Bundesrat rationiert den Treibstoff konsequent. Ganz der Visionär, setzt Haefner auf Holzkohlegeneratoren – damit lässt sich ein Auto ohne Benzin betreiben. Er investiert alle seine Ersparnisse – 26'000 Franken – in das Projekt und produziert die Generatoren unter dem Namen Autark. Solche Entscheide brauchen Mut. Walter Haefner mag einem manchmal gar furchtlos vorkommen. Doch er weiss, was er will und denkt stets in grossen Zusammenhängen. Ausserdem hat er ein Gespür für Details. Die Beziehungen zu seinem Umfeld hegt er mit Sorgfalt. Ehemalige Geschäftspartner beschreiben ihn denn auch als «Unternehmer von altem Schrot und Korn». Langes Lavieren ist ihm fremd, die AMAG Ikone ist ein Mann, der gerne zupackt. Das tut er bereits wieder 1940: Nach einer Reihe von Direktorenwechseln bemüht sich der damalige Besitzer der 1928 gegründeten, alten AMAG Automobil- und Motoren AG um eine neue Führungskraft an der Spitze. Die Wahl fällt auf Walter Haefner. Er soll das Unternehmen in ruhige Bahnen lenken und das Überleben der Firma in Zeiten der Kriegswirtschaft sichern. Der Zürcher sagt zu – und bleibt mit der AMAG die nächsten 70 Jahre verbunden.